Am Dienstagabend stimmt der Rat der Stadt Lohmar auf einer Sondersitzung formal über die Einrichtung einer Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) für über 300 Flüchtlinge ab, getroffen ist die Entscheidung aber schon längst, Bürgermeisterin Claudia Wieja hatte eine Pressemitteilung und ein Video veröffentlicht, in denen sie den Beschluss zur Errichtung einer ZUE mit dem Beigeordneten Andreas Behncke bereits verkündete.
„In Lohmar werden die Grundprinzipien der Demokratie verletzt. Es gibt keine Beteiligung der Öffentlichkeit und die Entscheidung des Rates wird einfach vorweggenommen. Die Bürgermeisterin hatte den Fraktionsvorsitzenden im Vorfeld berichtet, dass es einen Wettbewerb der Kommunen um die Errichtung einer ZUE gäbe und man sich beeilen müsse – auf Nachfrage beim Land stellte sich heraus, dass das Interesse der Kommunen „sehr heterogen sei und es keinen Grund zur Eile gäbe“. Warum soll die ZUE also in einer Sondersitzung ohne Beteiligung der Bürger und ohne gründliche Planung durchgedrückt werden? Der Stadtrat ist der Souverän der Stadt, dennoch werden die Ratsmitglieder in Lohmar zu Statisten degradiert und sollen auf Kommando springen, wie die Lemminge. Angesetzt ist die Ratssitzung für maximal 1 Stunde, da im direkten Anschluss der Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz tagt. Es gibt eine Reihe an offenen Fragen und Aufträge der Fraktionsvorsitzenden an die Verwaltung. Diese zu klären und zu diskutieren und die Politik wie die Öffentlichkeit umfassend zu beteiligen ist bislang nicht passiert – allein in einer Sitzung, die auf 1 Stunde limitiert ist, ist das nicht möglich. Hier soll einfach abgenickt und zum Tagesgeschäft übergegangen werden. Vielleicht sind die Ratsmitglieder anderer Fraktionen der Meinung, sie würden ihrer Aufgabe als Mandatsträger durch das Abnicken bereits entschiedener Beschlüsse gerecht werden, die CDU-Fraktion hingegen arbeitet als Team, diskutiert und entscheidet gemeinsam. Immer wieder setzen sich Ratsmehrheit und Bürgermeisterin über die Belange der Öffentlichkeit und der politischen Beteiligung hinweg – seien es die Redeverbote der Koalition für die Interessensgemeinschaft Birk im Ausschuss oder der Umgang der Bürgermeisterin mit dem Heimatverein Lohmar. Eingebunden wird die Bürgerschaft auch nicht – nicht bei der Informationsveranstaltung zum 26monatigen Umbau der B484, bei der die Bürgerinnen und Bürger die vollendeten Tatsachen präsentiert bekamen und bei der sich herausstellte, dass die einseitige Sperrung der B484 zwischen Lohmar und Wahlscheid in der Ortslage Donrath mind. 26 Monate dauern wird, weil die Ausschreibung nur für 1 Kolonne erfolgte – und auch bei der Frage nach der Einrichtung einer Zentralen Unterbringungseinrichtung für über 300 Flüchtlinge, werden die Bürgerinnen und Bürger wieder vor vollendete Tatsachen gestellt. Bis hier hin und nicht weiter. Es ist an der Zeit ein Zeichen zu setzen, dass es so in Lohmar nicht weitergehen kann. Deshalb hat die CDU-Fraktion geschlossen entschieden, dass sie nicht an der Sondersitzung des Rates teilnehmen wird.“, so der CDU-Fraktionsvorsitzende Tim Salgert.
„Es ist mir besonders wichtig zu betonen, dass die Fragen der Flüchtlingsunterbringung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist und dass das Gemeinwesen die Aufgabe hat, die hier ankommenden Menschen zu versorgen. Das ist ein Gebot der Humanität und dieser Verantwortung müssen wir uns stellen. Die Einrichtung einer ZUE bietet einer Kommune auch viele Vorteile, so werden die untergebrachten Menschen zu 100% auf die Unterbringungsquote der Stadt angerechnet, es sind weder Kinderbetreuungs- noch Schulplätze vorzuhalten, sondern die Betreuung erfolgt in der ZUE und die Kosten der ZUE trägt das Land NRW. Wir sind daher nicht grundsätzlich gegen die Einrichtung einer ZUE in Lohmar – wir sind aber mit dem Vorgehen nicht einverstanden und erwarten eine sorgfältige Diskussion, Abwägung und Planung. Wie bei allen Entscheidungen muss Gründlichkeit vor Schnelligkeit gelten.“, so Salgert weiter, der außerdem darauf hinweist, dass „bei allen kommunalen Anstrengungen in der Flüchtlingspolitik auch klar sein muss, dass Asyl keine Migration bedeuten darf und Bund und Land dazu aufgerufen sind, für die Eindämmung einer ungeregelten wirtschaftlichen Migration Sorge zu tragen.“
In der Pressemitteilung und dem Video zur Errichtung einer ZUE in Lohmar, verwies Bürgermeisterin Claudia Wieja ausdrücklich darauf, die Stadtverwaltung habe die Einrichtung gemeinsam mit den Fraktionsvorsitzenden beschlossen – ein Gremium, das über keine Legitimation verfügt. „Richtig ist, dass die Fraktionsvorsitzenden seit Dezember in die Überlegungen der Stadtverwaltung zur Errichtung einer ZUE einbezogen wurden. Unter den Bürgermeistern Wolfgang Röger und Horst Krybus gab es den sogenannten „Ältestenrat“, bei dem sich die Verwaltungsspitze regelmäßig mit den Fraktionsvorsitzenden traf und austauschte. Unter Bürgermeisterin Claudia Wieja, gibt es diese Treffen nicht mehr. Zur Frage der Errichtung einer ZUE in Lohmar wurden die Fraktionsvorsitzenden wieder aktiviert – wohl, um nicht allein für eine solche Einrichtung verantwortlich gemacht zu werden.“, so Salgert.
„Richtig ist auch, dass Einigkeit bei den Fraktionsvorsitzenden darüber herrschte, dass die Einrichtung einer ZUE für Lohmar durchaus sinnvoll ist, dennoch gab es keinen Beschluss, sondern einige Aufträge der Fraktionsvorsitzenden an die Verwaltung und offene Fragen, die noch nicht geklärt sind:
Bevor etwas entschieden wird, sollte die Bürgermeisterin mit den Anliegern, dem ortsansässigen Gartencenter und dem Kleingartenverein Kontakt aufnehmen und die Bürgerschaft beteiligen – das ist nicht geschehen.
Die Bürgermeisterin hat für das Jahr 2024 noch keinen Haushalt eingebracht, der daher noch nicht verabschiedet sein kann. Das bedeutet, dass keine Investitionen getätigt werden dürfen. Auf die Frage der CDU-Fraktion an die Bürgermeisterin, wie denn die Grundstückskäufe ohne Haushalt realisiert werden sollen, sagte sie zu, der Kämmerer würde sich melden – das ist nicht geschehen.
Unbebaute Grundstücke werden im Haushalt nicht abgeschrieben, das bedeutet, dass lediglich die Zinsen für den Grundstückskauf durch die Pachteinnahmen des Landes gedeckt werden müssen, damit die Positionen im Haushalt kostenneutral laufen. Die Grundstücke, die für die ZUE erworben werden sollen, sind aber größer als die Fläche, die an das Land NRW verpachtet wird – die Bürgermeisterin sollte klären, ob eine kleinere Fläche erworben werden muss oder wie die zu großen Flächen ohne Pacht finanziert werden sollen – das ist nicht geschehen.
Zudem stellen sich weitere Fragen:
Wie belastbar ist die Prognose der Bürgermeisterin und des Beigeordneten es gäbe dieses Jahr für Lohmar die Zuweisung weiterer 300 Flüchtlinge? Laut Anfrage beim Land sind die Flüchtlingszahlen zurzeit sehr gering, sogar rückläufig.
Wenn mit so gravierend steigenden Flüchtlingszahlen zu rechnen wäre, würde eine ZUE auch nur eine kurze Atempause bei der weiteren Zuweisung bedeuten. Nach welchem Konzept gehen wir vor, um nicht nur temporäre Unterkünfte zu schaffen, die ohne Wertzuwachs Geld kosten, sondern so zu investieren und/oder zu bauen, dass die Stadt auch nach der Flüchtlingszeit einen Gegenwert zu den Investitionskosten hat?
Wie sieht die Gegenüberstellung der Unterbringungsvarianten aus, auf die die Stadt hinweist und kaum zu glaubende Einsparungsbeträge ausweist? Die angesprochenen 5 Millionen Euro Kosten werden ja über mehrere Jahre abgeschrieben und können so nicht verglichen werden.
Was passiert mit der Einrichtung in 10 Jahren, Abriss?
Was passiert mit der Bewertung der Grundstücke im Haushalt in dem Moment, in dem die ZUE geschlossen ist und die Pacht des Landes NRW nicht mehr für Kostenneutralität sorgt?
Unter welchen Prämissen wurden Flächen analysiert und vorgeschlagen?
Welche alternativen Standorte wurden untersucht? Nur Birk und Donrath?
Wie sind die Flüchtlinge in der Stadt untergebracht und verteilt? Wie viele sind in Lohmar untergebracht?
Gibt es Nachbar-Kommunen, die eine zentrale Unterkunft anstreben?
Falls das Wäldchen vor der Kläranlage für die Errichtung der ZUE abgeholzt werden muss, wer wird an der Umsetzung beteiligt? Das Wäldchen bietet einen Sichtschutz zur ZUE und in diesem befinden sich unsere Notbrunnen zur Wasserversorgung.
Jedes Einfamilienhaus erfordert ein Genehmigungsverfahren, findet eine städtebauliche Planung für die ZUE statt, welche die Ausschüsse der Stadt durchläuft?“
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